Kompetenzentwicklung mit geraspelten rohen Kartoffeln, 10 reifen Tomaten und einer Handvoll Vogelfedern

10 January 2025 by Dirk Ritschel

Digitale Messwerterfassung im Biologieunterricht

Zugegeben, ein wenig klingt die Liste mit Experimentiermaterial nach magischen Zutaten für die Reifeprüfung angehender Alchimisten. Doch an diesem Donnerstagnachmittag im Oktober geht es in Löbau nicht um Mystik, sondern um Fakten, Daten und empirisch belegbare Zusammenhänge. Das Ziel des Workshops am Naturwissenschaftlichen Zentrum des Lehrerfortbildungsprojektes T³ ist klar definiert: “Entdecken Sie die Welt der digitalen Messwerterfassung und bereichern Sie Ihren Unterricht mit innovativen Methoden und Technologien.” Und dabei helfen so praktische Zutaten wie Kartoffeln, Tomaten und Vogelfedern.

Frischer Wind für die T³ AG Biologie

Geleitet wird der T³-Workshop von Clara Schneider. Clara unterrichtet Biologie und Chemie hier am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Löbau. Und sie bringt frischen Wind in die Arbeitsgruppe Biologie bei T³ D-A-CH. Ein bisschen Überwindung hat es am Anfang schon gekostet, den “alten Hasen” im Schuldienst zu erklären, wie Schülerexperimente mit digitalen Sensoren den Unterricht bereichern und das Verständnis der Schülerinnen und Schülern fördern, erinnert sich Clara. Und ja, die Vorbereitung der Experimentierstationen bedeutet zusätzlichen Aufwand. Aufwand, der sich allerdings lohnt, wenn man die Begeisterung und die Lernfortschritte der Schüler sieht.

Kurze Einführung in die Technik der Messwerterfassung und los!

Selber begeistert zu sein, ist schon mal eine gute Voraussetzung, um interessierte Neulinge mitzureißen. Trotzdem: wie erreiche ich gestandene Kolleginnen und Kollegen? Eine kurze Einführung in die Technik der Messwerterfassung steht am Anfang: pH-Sensor, Sensor für Sauerstoff, für CO₂, dazu ein Spannungssensor und ein Temperatursensor - das reicht fürs Erste. Alle Sensoren stammen von Vernier. Sensor ist Sensor. Wer das Prinzip verstanden hat, kommt schnell auch mit anderen Fabrikaten zurecht.

  

Die Sensoren an den TI-Nspire™ CX II-T-CAS Handheld stecken, die Vernier-DataQuest-App öffnet sich automatisch und schon geht’s los. Es ist kein Hexenwerk! Das erkennen auch die Kolleginnen und Kollegen so fort, die heute nach Löbau gekommen sind. Mancher hat 100 km für die Anreise unter die Räder genommen - und es nicht bereut. “Die Experimente an den sieben Stationen decken einen breiten Bereich unseres Lehrplans ab. so die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der abschließenden Feedbackrunde des T³-Workshops. Wann haben wir schon mal die Chance, uns mit erfahrenen Kollegen im Umgang mit den Sensoren und zu Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis auszutauschen. Das lohnt sich ganz einfach!“, so die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der abschließenden Feedbackrunde des T³-Workshops.

pH-Wert von Kartoffelsaft, Lebensräume der Vögel und Lagerung von Tomaten

Die Zutaten für das erste Experiment sind leicht zu beschaffen: ein Griff in die Vorratskammer und ein paar Küchenutensilien. Um den pH-Wert des Kartoffelsafts zu bestimmen, werden die Erdäpfel zuerst geschält und auf einer Vierkantreibe geraspelt. Der aus den Kartoffelspänen mit einem Küchentuch ausgewrungene Saft wird in vier Erlenmeyerkolben mit Salzsäure und mit Natronlauge versetzt. Nachgewiesen werden soll die Abhängigkeit der Katalase-Aktivität vom pH-Wert. Welcher Zusammenhang besteht zwischen pH-Wert und der Höhe des gebildeten Schaumes in den Erlenmeyerkolben? Bekannt ist seine gesundheitsfördernde Wirkung – Kartoffelsaft neutralisiert beispielsweise einen Überschuss an Magensäure – schon seit hunderten von Jahren. Aber jetzt wurde die wissenschaftliche Begründung mittels digitaler Messwerte im Klassenzimmer erbracht.

Wie sich Vögel mit ihrem Gefieder an die Bedingungen ihrer Lebensräume anpassen, das war Gegenstand eines weiteren Experiments. Im Stationenbetrieb wurden Temperaturänderungen bei Daunen- und Deckfedern untersucht.

Tomaten kühl, dunkel und luftig zu lagern, um den Verderb der Früchte zu verlangsamen, ist den meisten bekannt. Wie sich der Einfluss der Temperatur und die Abhängigkeit der Zellatmung von Sauerstoff im Detail auswirken, wurde mit dem CO₂-Sensor nachgewiesen. 

Wenn’s mehr als ein Sensor mehr sein soll

Dank des neuen BLE-Adapters können ab sofort bis zu vier Sensoren gleichzeitig an den Handheld angeschlossen werden. Insbesondere für die Physiker eine wichtige Voraussetzung. Die auf der Seite des IQB veröffentlichten fachpraktischen Teile der Abiturprüfung in Biologie, Chemie und Physik können mit TI-Nspire™ CX II-T CAS-Handhelds und Vernier-Sensoren vollständig umgesetzt werden. Ein weiteres Argument für das flexible Einsatzspektrum des Handhelds. Aufgrund der kabellosen Verbindung vergrößert sich zudem die Reichweite der Sensoren im Labor oder auch draußen in der Natur. Kabelsalat? Ohne Kabel kein Salat!

Hier geht’s zur Bestellung des Prüfungspakets mit BLE-Adapter

Forschung und Lehre zur digitalen Messwerterfassung

Wie digitale Messwerterfassung bei Schülerexperimenten zum tieferen Verständnis naturwissenschaftlicher Phänomene beiträgt, ist wissenschaftlich erforscht. Ebenso der positive Effekt, Fehlvorstellungen bei den Lernenden zu verringern. Prof. Rebecca Heimann, Leiterin des Instituts für Didaktik der Chemie an der Universität Leipzig, hat hierzu bereits mehrere Studien veröffentlicht.

Tatkräftig unterstützt wird die Wissenschaftlerin durch Frank Liebner, den langjährigen Leiter des Naturwissenschaftlichen Zentrums von T³ in Löbau. Ihre jüngste Studie zeigt, wie durch die Einbindung digitaler Messwerterfassung das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Chemieunterricht aktiviert werden kann. Zudem wurde die selbständige Erarbeitung eines Themas (Hintergründe der Leitfähigkeitstitration und für die Thermometrische Titration) als Lernerfolg nachgewiesen. Clara Schneider hat sich an diesem Projekt mit ihren Klassen aktiv beteiligt. Dazu gehörte es, Fragebögen zu Vor- und Nachtests rund um die vorbereiteten Unterrichtseinheiten mit den Schülern sorgfältig zu bearbeiten.

 

Wenn es darum geht, die Begeisterung für den pädagogischen Nutzen der Schülerexperimente zu wecken, sollte frühzeitig mit digitalen Werkzeugen gearbeitet werden. Am besten bereits in der Lehrerausbildung. Gemeinsam mit Prof. Monique Meier und Dr. Jannette Wober vom Lehrstuhl Didaktik der Biologie an der TU Dresden hat Clara bereits Workshops für Studierende durchgeführt. Die Resonanz: sehr positiv. Weitere Workshops sind bereits geplant.